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12.05.2016 | Exkursionen

Luxus am Handgelenk

Eine Exkursion in die Metropolen deutscher Uhrmacherkunst: Glashütte und Schramberg

Prof. Dr. Harald Augustin, Svenja Freyberg

Mit der technischen, gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Menschheit hat sich die Uhr in Jahrhunderten von der Elementaruhr bis zur hochpräzisen Atomuhr entwickelt und zeigt uns die vierte Dimension, die Zeit. Stammt die Uhr aus Glashütte in Sachsen oder Schramberg im Schwarzwald, wurde sie an Orten gefertigt, die für ihre Uhrmacherkunst weltberühmt sind.
Die Wirtschaftsingenieurstudentengruppe unter Leitung von Professor Dr. Harald Augustin hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Herstellungsprozess und das damit verbundene Traditionshandwerk auf einer zweiten Exkursion nach 2014 zu Uhrenmanufakturen in Glashütte und Schramberg zu ergründen.

Glashütte: ein verschlafener Ort im Erzgebirge?

Ursprünglicher ein Bergbauort, verarmt Glashütte nach Versiegen der Silberfunde im Erzgebirge und steht vor der Herausforderung, eine industrielle Konversion zu bewerkstelligen. Mit dem Können und dem unternehmerischen Geschick fähiger Uhrmachermeister wie Ferdinand Adolph Lange, Julius Assmann, Moritz Grossmann und Adolf Schneider gelingt diese Konversion zur Uhrenindustrie: Sie legen 1845 den Grundstein für den Glanz, den der Name Glashütte in Sachsen heute besitzt. Der Ort mit wechselhafter Geschichte steht heute mehr denn je zuvor für kunstvolle Präzision, Handwerkskunst und Qualität. Um diesen Ruf sicherzustellen, müssen 50 Prozent der Wertschöpfung am Werk einer Uhr im Ort geschaffen werden.

Händler mit eigener Uhrenmanufaktur: WEMPE Glashütte i/SA

Das kulturell und historisch interessante Dresden ist Basisstation der Exkursionsgruppe. Von dort führt der erste Besuch etwa 30 km weiter nach Glashütte zum renommierten, internationalen Unternehmen Wempe. Das Familienunternehmen gehört zu den wichtigsten Handelspartnern großer Uhrenmarken der Luxusbranche. Wempe hat aber auch seit 1905 eine lange Tradition in der Herstellung von maritimen Präzisionsinstrumenten und nautischen Zeitsystemen. Seit 2005 fertigt Wempe in einer eigenen Manufaktur hochwertige Uhren und hat sich für deren Fertigung in Glashütte niedergelassen. Mit viel Liebe zum Detail wurde die alte Sternwarte hoch über Glashütte renoviert, die ursprünglich erbaut wurde, um den Uhrmanufakturen ein verbindliches Zeitsignal zu geben.

Bei der Führung durch alle Bereiche und Produktionsschritte wird deutlich, mit welcher Präzision und Konzentration die Uhrmacher ihrer Arbeit nachgehen, um am Ende ein Meisterstück vor sich liegen zu haben. Weitere Einblicke in das Traditionshandwerk erhalten wir in der Montage der selbst entwickelten Zeitmeister-Uhren und der Produktion von Präzisionspendeluhren. Zum Abschluss dürfen wir einen Blick in die unabhängige Chronometerprüfstelle werfen, die in Zusammenarbeit mit dem Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV) und dem Staatsbetrieb für Mess- und Eichwesen (SME) Sachsen betrieben wird. Anders als bei der Schweizer Chronometerprüfung wird hier die komplett montierte Uhr und nicht nur das Uhrwerk nach der deutschen Norm DIN 8319 über 15 Tage bei unterschiedlichen Temperaturen geprüft und bei Normerfüllung zertifiziert.

Der Rückkehrer: TUTIMA Uhrenfabrik GmbH Ndl. Glashütte

Am selben Tag öffnen sich der Exkursionsgruppe auch die Türen der Uhrenmanufaktur Tutima, deren Wurzeln in den 1926 gegründeten Unternehmen Uhren-Rohwerke-Fabrik Glashütte AG, UROFA, und Uhrenfabrik Glashütte AG, UFAG, liegen. Kurz vor der Bombardierung und Zerstörung des Werkes durch die russische Armee flieht der Geschäftsführer Ernst Kurtz mit Mitarbeitern in den Westen, um im Jahre 2008 in die alte Heimat Glashütte zurückzukehren. Bekannt ist die Uhrenmanufaktur für ihren NATO-Chronographen, der bis heute offizielle Dienstuhr der Piloten der Bundeswehr ist. In Glashütte präsentiert sich Tutima als neue Uhrenmanufaktur, die auch selbstentwickelte und individuell hergestellte mechanische Werke produziert. Bei diesem Besuch wird deutlich, welch dramatische Einschnitte die Kriegs- und DDR-Zeit mit Zerstörung, Enteignung und der Gründung von volkseigenen Betrieben (VEB) für die Unternehmen in Glashütte mit sich brachten.

Hightech von Zulieferern: Sächsische Uhrentechnologie GmbH Glashütte (SUG)

Neben den Uhrenmanufakturen hat auch die Sächsische Uhrentechnologie GmbH Glashütte (SUG) im Jahr 1998 ihren Sitz im Müglitztal gefunden. Das Unternehmen entwickelt und fertigt komplette Armbanduhrgehäuse in exklusiver Ausführung in Kleinserie auf Basis eigener oder mit dem Kunden erarbeiteten Entwicklungen. Liegt bei den meisten Uhrenliebhabern der Fokus auf dem filigran ausgestalteten Uhrwerk, lernen wir hier, dass auch das Armbanduhrgehäuse eine hochpräzise und technologisch hochentwickelte Baugruppe mit extrem filigranen Details ist: Bohrungen und gewirbelte Gewinde mit Durchmessern vom Durchmesser eines menschlichen Haares. Firmengründer Dr. Ronald Boldt zeigt uns, welche technischen Detaillösungen und hochmodernen Fertigungsverfahren erforderlich sind, um die hochwertigen Uhrengehäuse in Stahl, Gold und Platin herzustellen. Insbesondere die Finnissage, d. h. das Anbringen von Schliffmustern, ist nach wie vor ein manueller und sehr aufwendiger Prozess, der höchstes Fingerspitzengefühl der Mitarbeiter fordert.

Der Aufsteiger: Nomos Glashütte/SA Roland Schwertner KG

Anschließend folgen wir der Einladung von NOMOS, gegründet 1990 von Roland Schwertner, dem am schnellsten wachsenden Unternehmen in Glashütte mit derzeit 240 Mitarbeitern. Im Jahr 2014 bricht Nomos als erstes Unternehmen das Monopol der Schweizer Firma Nivarox (Swatch Group) für die Entwicklung und Herstellung des Assortiments (Reglage): In einem seit 2009 laufenden Forschungsprojekt mit der TU Dresden wird dieses Uhrenherzstück, d. h. die Steuereinheit, bestehend aus Unruh, Spirale, Ankerrad und Anker, entwickelt und 2014 erstmals in das neue Modell Metro eingebaut. Nomos Glashütte ist bekannt für die Fertigung eigener Kaliber, die klaren Linien seiner Modelle und sein spezielles Uhrendesign im Werkbundstil. Die Fertigungstiefe liegt bei Nomos bei manchen Modellen bei 97 % und damit im höchstmöglichen Bereich, den man in Glashütte finden kann – eine idealtypische Manufaktur. Aufgrund der extrem hohen Fertigungstiefe erhalten wir Einblick in alle Fertigungsschritte und -technologien, die zur Uhrenherstellung eingesetzt werden: Fräsen, Drehen, Gewindeschneiden, Drahterodieren, kleine Automaten für das Setzen von Steinen, Öldosiermaschinen, Finissage und Montagen.

High-End in Perfektion: Grossmann Uhren GmbH

Begibt man sich im Preissegment der Uhren in die höheren Gefilde, ist ein Besuch der 2008 gegründeten Grossmann Uhren GmbH unabdingbar, von deren Manufakturgebäude aus sich ein grandioser Ausblick auf Glashütte eröffnet. Grossmann hat ebenfalls eine sehr hohe Fertigungstiefe sowohl in der Teilefertigung als auch in der Montage. Ein Schwerpunkt unserer Besichtigung sind die Feinarbeitsplätze, die uns die Herstellung hochfeiner und eleganter Teile erleben lässt. Ein besonderes Highlight ist die Zeigerfertigung: Das Geschick, das nötig ist, um das Profil eines Zeigers aus einem flachen Rohling herauszuarbeiten und anschließend in Form zu schleifen, zeigt uns die aufwendige Handarbeit der Uhrmacherei. Auch das Anlassen der Zeiger über offenem Feuer, die bei Moritz Grossmann nicht blau – wie in der Uhrenbranche üblich – sondern braunviolett bzw. braun eingefärbt werden, ist eine Herausforderung für die Uhrmacher.

Quarz und Mechanik vereint: Bruno Söhnle GmbH Uhrenatelier Glashütte/Sa.

Die Firma Bruno Söhnle Glashütte hat es sich zur Aufgabe gemacht, Schönheit mit Funktionalität zu vereinen und Uhren zu erschwinglichem Preis zu verkaufen. In drei Produktlinien werden feine Quarz-, hochwertige Handaufzugs- und klassische Automatikuhren hergestellt. Um die Uhr mit der Herkunftsbezeichnung Glashütte versehen zu können, werden bei Bruno Söhnle Grundplatinen, Automatikbrücken, Räderwerkbrücken, Ankerbrücken und Aufzugbrücken sowie Unruhkloben produziert und veredelt. Uhrmacher mit ruhigen Händen führten uns diese Arbeiten vor. Daraufhin duften einige von uns selbst bei der Endmontage von Quarzuhren und der Zeigermontage Hand anlegen. Dies führt dazu, dass unser Respekt für die Fingerfertigkeit und Präzision der Uhrmacher noch weiter steigt.

Schramberg: Der Newcomer Lehmann Präzisionsuhren

Im Süden Deutschlands gewährt uns Markus Lehmann, Geschäftsführer der Lehmann Präzision GmbH, einen Einblick in sein Unternehmen, das seit mehr als 18 Jahren unter anderem hochpräzise Dreh-, Fräs- und Graviermaschinen für die Uhrenindustrie entwickelt und baut. Seine Liebe zu Uhren veranlasste ihn 2011 zur Gründung von Lehmann Präzisionsuhren. Die Inhouse-Expertise in der Werkzeugmaschinenentwicklung und Fertigung von Einzelteilen für die Uhrenindustrie macht ihn weitestgehend unabhängig von Zulieferern, denn Lehmann fertigt alle mechanischen Teile (auch das Uhrengehäuse!) bis auf das Räderwerk und das Schwingsystem selbst. Das Design der Lehmann-Uhren mit ihrer im Gehäuse versenkten Krone sowie eleganten und technisch anspruchsvollen Gehäusen, z. B. Freiformflächen, beeindruckt sehr.

Luxus: Was ist das?

Während für die einen die Uhr ein bloßer Gebrauchsgegenstand ist, erlebten wir in Glashütte und in Schramberg, warum die Uhr für andere ein Luxus- oder Liebhaberstück ist. Die Zeit, Fingerfertigkeit, Geduld und Konzentration, die die Uhrmacher in die Anfertigung jeder Uhr aufbringen, macht jedes Exemplar zu einem Meisterstück mit eigenem unikatem Charakter und Charme. Egal mit wie viel Luxus am Arm wir die Zeit messen, gilt für uns alle am Ende doch eines gemeinsam: Der Mensch besitzt nichts Edleres und Kostbareres als die Zeit. (Ludwig van Beethoven)

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen besuchten Unternehmen, die sich viel Zeit für uns nahmen und uns in die Wunderwelt der Uhrenmanufakturen entführt und dafür begeistert haben.